Mai 14 2009
Aktiva & Passiva
Der ist so peinlich. Jetzt kneift mir mein Chef doch tatsächlich in den Po und das im Beisein der Frau die sich gerade hier um eine Stelle bewirbt. Wenn ich ihren Gesichtausdruck richtig deute, hat sie aber mittlerweile eh schon mit diesem vakanten Posten hier abgeschlossen – Recht hat sie!
Ich kam vor über zwei Jahren nach Deutschland, als am 1. Januar neben Rumänien auch mein Heimatland Bulgarien in die – nun aus siebenundzwanzig Mitgliedstaaten bestehenden – EU aufgenommen wurde und versprach mir von Deutschland ein besseres Leben.
Ich hatte an einer der einundfünfzig Universitäten Bulgariens meinen Abschluss in Ökonomie gemacht, genauer gesagt an der Freien Universität Burgas. Burgas und Varna sind vielleicht für einige von Euch ein Begriff, da Touristen meist neben dem Goldstrand auch diese beiden Städte besichtigen.
Aber zurück nach Deutschland und zu meinem cholerischen Chef.
Als ich wie gesagt vor gut zwei Jahren hier ankam, las ich, dass eine Unternehmensberatung nach einer Buchhalterin sucht. Ich habe mich darauf hin vorgestellt und wurde auch gleich übernommen. Mein Start im fremden Land war somit geglückt, ich hatte bereits eine Mietwohnung bezogen (1-Zimmer-Küche-Bad) und hatte mich auch gleich in Abendkurse eingetragen um mein Deutsch weiter voranzutreiben.
Für mich ist es selbstverständlich, sich so schnell und gut es geht in einem neuen Land zu integrieren. Wenn ich da andere Menschen hier sehe, die sich von der „realen“ Welt total abgrenzen und nur in ihrer Eigenen leben, finde ich dies sehr bedauerlich und sehe es auch schon fast als Verachtung gegenüber dem Land, in dem sie wohnen.
Aus dem Nebenraum vernehme ich ein lautes Fluchen und so öffne ich ganz vorsichtig die Zwischentür um zu schauen, ob denn alles so weit ok ist. Mein Chef sitzt mit hochrotem Kopf an seinem Arbeitsplatz, die Frau von vorhin ist bereits verschwunden und so wie es ausschaut, hat sie dem Stinkstiefel mal ordentlich Paroli geboten. Wenn ich ehrlich bin, genieße ich gerade den Moment, da er es nicht besser verdient hat. Gegenüber meinem Chef, halte ich natürlich meine Meinung für mich, noch. Denn ich will erst einmal ein paar Jahre Arbeitserfahrung hier in Deutschland sammeln, mein Curriculum vitae etwas aufpolieren und werde dann sicherlich, sobald mir die Möglichkeit eröffnet wird, die Arbeitsstelle wechseln. Und an dem Tag, an dem ich „…und tschüss“ sage, wird der Choleriker noch sein Fett wegbekommen. Vielleicht passiert mir ja an meinem letzten Arbeitstag ganz zufälligerweise ein kleines Malheur? Ist bestimmt unangenehm, wenn einem brütend heißer Kaffee in den Schritt geschüttet wird. Welches Mißgeschick aber auch. Und die blöden Flecken auf der Hose… Bis dahin, werde ich die typischen Waffen einer Frau aber noch ruhen lassen und brav meiner Arbeit nachgehen und die Mandantenbuchführungen durchführen.
Abgesehen vom Chef, gefällt mir die Arbeit ja auch. Ist ja auch das wofür ich jahrelang studiert habe. Besser als eine Freundin aus Bulgarien, die ebenfalls mit mir nach Deutschland kam, hier aber in einem Etablissement arbeitet, wo sie doch eher nur leicht bekleidet sind. Das soll jetzt nicht abwertend klingen. Jedem das Seine und es sollte sich an sich heute auch nicht mehr um ein Tabuthema handeln, wenn man mich fragt. Es geht hier ja schließlich um das älteste Gewerbe der Welt. Nur bin ich halt glücklich einer soliden Arbeit nachzugehen.
Jetzt wälze ich noch ein wenig durch Bilanzen und doppelte Buchführungen und dann ist es auch schon wieder 18 Uhr und mein Arbeitstag ist beendet.
Und all denen, die das hier gerade lesen und momentan schlecht auf ihren Chef zu sprechen sind… denkt daran, dass es immer noch mindestens einen Chef auf der Welt gibt, der noch schlimmer ist!
2 Kommentare
2 Kommentare zu “Aktiva & Passiva”
Jaja, die Waffen einer Frau. Meistens sind sie noch gemeiner als wir Männer. ;)
Ich denke auch, dass Frauen uns in vielem überlegen sind. Also ducken wir uns mal lieber… ;)