Dez 02 2009
Über den Dächern
Ich klettere und klettere und habe bald wieder meinen Aussichtspunkt erreicht. Bei meiner Arbeit gibt es fast nichts schöneres als den Start in den Tag. Die Stadt um einen herum liegt noch größtenteils im Schlaf, vereinzelt hängen die Hügel und Berge noch im Nebel und der Blick zur aufgehenden Sonne ist einfach nur wunderschön.
Seit nun einem Jahr bin ich Kranführer und ich kann die Piloten verstehen, die von der Freiheit über den Wolken sprechen. So hoch ragt mein Turmdrehkran natürlich nicht, aber wenn ich da oben sitze und meiner Arbeit nachgehe, gibt es mir dennoch ab und an ein Gefühl der Freiheit. Abgesehen von meinem kleinen Radio, das vor sich hin summt, genieße ich die Ruhe und das Alleinesein da oben über den Dächern.
Letztes Jahr hatte ich die Ausbildung zum Turmdrehkranführer in Angriff genommen. Die Geräte Ober- und Unterdreher standen an und zuerst kam die theoretische Ausbildung mit Abschluss einer schriftlichen Prüfung, ehe es dann während fünf Tagen Vollzeit auf die Baustelle ging. Dort wurde dann vorort der praktische Teil der Ausbildung angegangen. Anschließend bekam ich dann nach erfolgreich abgelegten Prüfungen in Theorie und Praxis den anerkannten Fahrausweis für Krane und ein Zertifikat für die Gesamtausbildung mit dem Zusatz der praktischen Ausbildung auf einer Baustelle für Turmdrehkran Ober- und Unterdreher.
Ich selbst bin nun tätig in einem Unternehmen des Baugewerbes. Aber für Kranführer gibt es ebenfalls Tätigkeiten in der Metall- und Holzindustrie sowie in Frachtumschlagbahnhöfen, Entsorgungsbetrieben oder im Bergbau. Dementsprechend gibt es natürlich auch Krananlagen aller Art. Um nur einige aufzuzählen… die Mobil- und Autokräne, Bau- und Drehkräne sowie Greifer. Da ich auf Baustellen arbeite, gibt es bei mir gottseidank keinen Schichtdienst, sondern nur Tagesdienst. Auf Bahnhöfen oder Häfen wäre dies sicherlich anders.
Wie es meistens der Fall ist, hat der praktische Teil meiner Ausbildung wesentlich mehr Spaß gemacht als die theoretische Seite. Hier ging es um Kenntnisse über die Sicherheitsabstände, Belastung des Kranes, Anschlagmittel, Sichern von Lasten und die Verständigung mit dem „Anschläger“. Als es dann aber zum Kran selbst ging und dies alles ins Praktische umgesetzt wurde, da war ich sogar noch mehr angetan vom Job als ich es mir erträumt hatte.
Ich hatte schon in meiner Kindheit meist mit Traktoren, Baggern, großen Lastwagen und vor allem eben auch Kränen gespielt. Meine Mutter meinte immer, es könnte mir nicht groß, hoch und atemberaubend genug sein. Wo andere Kinder schon von Höhenangst geplagt waren, wollte ich noch höher hinaus. Jetzt sitze ich hier oben in meiner Kabine und etwas von meiner Mutter habe ich vermutlich auch heute noch, den Hang zur Dekoration.
Letztes Wochenende war der 1. Advent und so ist es nicht verwunderlich, dass mein Kran am Ende mit einem kleinen Tannenbaum geschmückt ist.
Zur Zeit sitze ich mit meinem Kran auf dem Gelände eines kleinen Fussballstadions. Hier wurden wir als Bauunternehmen ausgewählt um eine Tribüne auszubauen. Es ist zwar kein Olympiastadion oder die Allianz-Arena aber dennoch ist es eine angenehme Abwechslung. Als hier vor ein paar Wochen noch ein DFB-Pokal Spiel stattfand, bin ich kurzerhand auf meinen Kran hoch um von dort aus zuzuschauen. Pssscht, behaltet es bitte für Euch, da ich nicht weiss, wie mein Chef darauf reagieren würde.
Da ich auch erst ein Jahr dabei bin, muss ich ja nicht gleich negativ auffallen. Ich bin froh, dass ich in diesen schwierigen Zeiten einen Arbeitsplatz habe und wenn man sieht, dass einige schon wegen Kassenbons oder Frikadellen beurlaubt wurden… da bin ich ganz zufrieden mit meinen knapp 19.000 Euro brutto im Jahr. Da das Gehalt von der Berufserfahrung abhängig ist, gibt es da auch noch einiges an Potential nach oben.
Aber lassen wir das mal, eigentlich spricht man ja nicht über finanzielle Dinge. Aber falls jemand von Euch den Traum vom Kranführer haben sollte, so weiss er jetzt wenigstens wo er in etwa anfängt mit seinem ersten Lohn.
Gerade schlägt es wieder eine volle Stunde und über mein kleines Radio höre ich die Nachrichten. Bereits zum sechsten Male an diesem Tag. Was in der Welt passiert, bin ich jedenfalls stets auf dem Laufenden. Spannend war es jetzt die Tage mit dem Ausbruch der beiden Schwerverbrecher der JVA Aachen. Jede halbe Stunde gab es dazu einen Newsticker.
Noch gut zwei Stunden, dann geht’s ab in den Feierabend. Dann muss ich mit meiner kleinen „Verbrecherin“ zum Weihnachtsmann, das habe ich meiner Prinzessin zuhause versprochen. Schön, wenn man noch an den Mann mit dem weissen, langen Bart glaubt…
13 Kommentare
13 Kommentare zu “Über den Dächern”
Eine wunderschöne Geschichte…wenn man das so liest hat man das Gefühl das es der Traumberuf schlechthin ist :-)
Hallo Arven,
danke für deine Meinung zur Kranführer-Folge.
Ich denke dass es wie in den meisten Jobs Vor- und Nachteile gibt. Aber ich wollte halt vor allem die schönen Aspekte rüberbringen und nicht über Tonnen von Stahl und Trägern schreiben. ;)
Angenehmen Mittwoch.
Eine tolle Geschichte! Man merkt, dass du deinen Beruf liebst.
Hallo meze und herzlich Willkommen auf workaBLOGic.
Es freut mich, dass auch dir die Geschichte gefällt und ja, ich liebe meinen Beruf, auch wenn ich den Feierabend genau so zu schätzen weiss! ;)
Ich wünsche einen angenehmen Donnerstag!
Toll deine Einstellung. Ich hab als junger Mann (so alt bin ich wiederum auch nicht) mal „aufm Bau“ gearbeitet und kann daher deine geschichte sehr gut nachempfinden. Ich find es toll dass du einen ehrlichen Job gefunden hast. Mach weiter so und ich freu mich schon auf deinen nächsten bericht.
Liebe Grüße
Marko Gross
http://www.mascus.de/Baumaschinen/Krane/dontfollow
Hallo Marko,
willkommen auf workaBLOGic.
Es freut mich, dass du meine Geschichte sehr gut nachempfinden konntest. Ich werde mein Bestes tun so weiterzumachen wie bisher, da ich rundum zufrieden bin.
Wünsche ein angenehmes Wochenende,
Alex
Ganz ehrlich: Wenn meine Süße mich bittet etwas von ganz oben aus dem Schrank zu nehmen und ich einen Stuhl brauche, dann kommt meistens als antwort: Soll ich nicht lieber die Spinne im Bad töten? — Ich habe Höhenangst.
Hey Sascha,
na so ist es ja dann auch besser, dass ich den Beruf des Kranführers ausübe und nicht du. ;)
Aber die Spinne im Bad töten, ist wiederrum nichts für mich! :D
Angenehmes Wochenende.
Man merkt, dass du deinen Beruf liebst.
Als du „Anschlagmittel“ schriebst, zuckte ich kurz, und dachte: „Wat jetzt, Dynamit oder was?“ :-D
Nein, ich weiss was du meinst. Ich kenne mich auf dem Bau aus… Guck: http://www.applejünger.de/2009/07/14/beka-betonpumpe-betonpumpen/
Hey sinan und Applejünger.
Ja, mit meinem Beruf bin ich definitiv zufrieden. :)
Und zu den Anschlagmitteln, keine Bange. Hier bei mir geht’s nicht um Explosionen und Anschläge. Alles friedlich und brav in meiner Kranwelt! ;)
Und was die Betonpumpe angeht, willkommen im Bauboot :D
Ahoi!!! Du bist Kranführer bei der Hochtief, oder??
Kranführer stimmt. Aber ob hoch oder tief… ich mache hier nur ungern Werbung! ;)