Dez 21 2009
Kein Anschluss unter dieser Nummer
Es ist 9:00 Uhr morgens. Die Helligkeit im Schlafzimmer lässt einen erwachen, das weitere Hin- und Herdrehen, wird nichts mehr bringen, also bleibt einem nur noch das Aufstehen übrig. Rein in die Klamotten und der erste Griff nach dem Aufstehen geht an die Kaffeemaschine, die schon am vorherigen Abend vorbereitet wurde. Direkt danach wird der PC gestartet, denn man möchte ja wissen, was es Neues im World Wide Web zu finden gibt und auch wie die Besucherzahlen des eigenen Blogs für den gestrigen Tag gewesen sind.
Parallel werden schon einmal die Favoriten mit den ganzen News-Seiten abgerufen, damit man sieht, ob es ein interessantes Thema für einen gibt, worüber man selber ebenfalls etwas schreiben möchte. Nach den ersten Tassen Kaffee muss man sich dann doch mal vom PC losreißen, damit man sich um das Frühstück kümmert. Am besten man erledigt das gleich zusammen mit den Broten für die Arbeit, denn in wenigen Stunden ist es wieder soweit, dass die Arbeit im Call Center ruft.
Schneller als man sich versieht, ist es schon Mittagszeit und ich muss mich auf den Weg zur Arbeit machen. Also raus aus den Wohlfühl-Sachen und rein in etwas, womit man sich auch sehen lassen kann. Dann schnell die Tasche gepackt und ab auf das Rad. Eine Viertelstunde später ist man schon am Ziel und sucht schon einmal den Firmenausweis raus, da man ohne (aus Datenschutzgründen) nicht mehr ins Haus gelassen wird. Ab in die richtige Etage und mal schauen, welcher Platz heute für mich frei ist.
Wie jeden Tag kotzt es einen an, dass andere Kollegen nicht ihren Müll vom Arbeitsplatz beseitigen konnten. Schnell alles beiseite schieben, damit man sich selber mit seinen Dingen und Unterlagen ausbreiten kann und dann wird der PC gestartet. Es erfolgt die Passworteingabe Nummer eins, damit erst einmal das Betriebssystem starten kann, gefolgt vom zweiten Passwort, da intern nur mit Linux gearbeitet wird. Wenn es bis jetzt noch zu keiner Fehlermeldung gekommen ist, könnte es ja mal ein Tag ohne Probleme werden. Dann starten wir doch mal alle notwendigen Programme, damit wir die Kunden verarzten können.
Mist, sind schon wieder so viele Wochen vergangen, dass dieses dumme Programm mich auffordert, mein Passwort zu wechseln? Scheinbar wohl schon. Also überlegt man, was man dieses Mal benutzen könnte, da jedes Passwort nur einmal funktioniert. Am besten noch aufschreiben, sonst steht man vielleicht am nächsten Tag da und weiß nicht mehr, was man ausgewählt hat.
Endlich läuft alles. Das Telefon wird mit der eigenen ID angemeldet und schnell wieder auf AUS geschaltet. Punkt 14:00 Uhr wird dann das Telefon für die Kunden freigeschaltet und insgeheim hofft man, dass es nicht sofort losklingelt. Leider interessiert es die Kunden nicht, dass man gerade dabei ist nachzulesen, wie seit heute die Abläufe erledigt werden müssen. Scheinbar haben die nur auf mich gewartet, denn prompt klingelt das Telefon.
Also ran an den Feind, ein kurzer Klick und dann geht’s los. „Herzlich Willkommen bei… “ und schon fängt der Kunde an mich mit seinem Problem zu beglücken. Wie schön, es ist etwas einfaches und simples, was zum Glück keiner großen Arbeit bedarf, aber der Kunde möchte ja noch weiter rummeckern, da er sich ungerecht behandelt fühlt. Wie gut, dass er nicht sehen kann, was ich ihm gerade zeige. Alleine deshalb sollte es niemals Bildtelefone in Call Centern geben. Und wenn das nicht reicht, habe ich ja noch die Taste um das Mikrofon abzuschalten. Dann kann ich dem mal sagen, was ich so denke… Zum Glück hört er es ja nicht. Zumindest solange nicht, wie diese Austaste am Mikro funktioniert. Ah, der Kunde holt mal kurz Luft, bevor er weiter meckert. Somit nutze ich die Chance und falle ihm ins Wort. „Tut mir Leid, aber dafür bin ich nicht zuständig. Da müssen Sie mit einer anderen Abteilung sprechen. Einen kleinen Moment bitte, ich stelle Sie durch.“ Und schwups, weg ist der Kunde und ein leichtes Grinsen kommt in meine Mundwinkel. Dabei denke ich mir: wärst du lieb und freundlich geblieben, hätte ich dir garantiert auch weiterhelfen können. Aber wer nur meckern will, soll dass gefälligst nicht bei mir tun.
Der Rest läuft vernünftig ab. Das sind zum Glück normale Kunden, die froh darüber sind, wenn sie freundlich und kompetent beraten werden. Einige lassen sich sogar noch einiges zusätzlich aufquatschen, was auch mir in Form einer Provision zugute kommt. Zwischendurch mal ein kleines Päuschchen mit den Kollegen, um ein wenig über die Kunden abzulästern. Man gönnt sich ja sonst nix und wenn gerade nicht zuviel zu tun ist, kann ma ja mal ein wenig im Internet stöbern. Zumindest dann, wenn keiner der Vorgesetzten in der Nähe ist, da das Surfen ja offiziell gar nicht erlaubt ist.
Und schneller als man denkt, ist es kurz vor Acht und um 20:00 Uhr werden die Telefone abgeschaltet. Ab dann muss der Kunde sich mit dem Anrufbeantworter begnügen. Man zählt schon die Sekunden bis zum Augenblick an dem man endlich den Ausschalter drücken darf. Nein, das ist nicht wahr! Eine Minute vor Acht und das Telefon klingelt. Wenn der Kunde jetzt etwas größeres hat, sitze ich hier noch bis lange nach 20:00 Uhr. Einfach nicht rangehen darf ich auch nicht. Das würde negativ auffallen. Was also tun? Ich mache es mir ganz einfach, damit der Kunde mich nicht von meinem Feierabend abhält. Ich nehme das Gespräch an und drücke sofort die Taste zum Verbinden. Dann wird der Kunde kurz in die Warteschleife geschickt, damit er sich anhören kann, dass kein Mitarbeiter mehr verfügbar ist, da er außerhalb der Geschäftszeit anruft. Geschafft! Ich bin ihn los und kann alles abschalten – mich inklusive. Somit ist endlich Feierabend!
(Peter)
1 Kommentar
1 Kommentar zu “Kein Anschluss unter dieser Nummer”
Hey Pe-Su-Ki,
herzlichen Dank für deinen Gastbeitrag!
Ich wünsche Dir und Euch eine angenehme Weihnachtszeit und einen guten Start ins Jahr 2010!
Liebe Grüße,
Alex